Schlagwort: Saarland

  • Serverumzug und baldige Projekte

    Es ist geschafft! Im letzten Jahr musste ich mit meinen Internetseiten auf Serverumzug und die Gelegenheit wollte ich nutzen, um umweltgeschichte.net neu aufzubauen. Die alte Seite wurde also verworfen und nur die Texte wurden gerettet. Der neue Website-Editor von WordPress macht einiges möglich und so ein eigenes Theme zu bilden hat zwar Spaß gemacht, dauerte aber bei all den anderen Pendenzen, die man so hat.

    Warum das ganze überhaupt? Notwendig wurde der Umzug, da ich die neueste Version der Semantic Mediawiki für das Projekt aufsetzen wollte. Auf den alten Servern konnte aber nicht die neueste PHP-Version verwendet werden, sodass ein Update in meinem bisherigen Vertrag notwendig wurde. Ehrlich gesagt fand ich es schon ein wenig seltsam, dass ein PHP-Update nicht einfacher möglich war, aber der neue Vertrag hat weitere Vorteile und ich bin mit meinem Hoster sonst zufrieden. Hoffen wir, dass sowas nicht noch einmal notwendig wird. Allerdings sollte die Angelegenheit dann einfacher werden, wenn ich die Seite nicht noch einmal von unten aufbauen werde.

    Es werden bald weitere Blogeinträge folgen und ich hoffe regelmäßiger bloggen zu können. Ein To-Do, das ich alsbald angehen möchte ist die „Spiegelung“ oder eher Übersetzung der bisherigen Beiträge auf einem Hypothese-Blog auf Englisch. Ich gebe aber zu es mir einfach zu machen und das meiste durch einen Übersetzer zu jagen und es dann zu korrigieren. Weiter soll dann die Mediawiki entstehen, von der ich mir u.a. selbst einen besseren Überblick über die Verbreitung von Umweltschäden erhoffe und ein persönliches Forschungsdatenmanagement. Ob es am Ende was wird, muss sich zeigen. Vielleicht wird es auch eher darauf hinaus laufen mich mit den Funktionen eine SMW auseinanderzusetzen. Ich finde, dass sich diese hervorragend für Citizen-Science Projekte eignen würde. Die Wien-Wiki macht es vor. Ich denke auch, dass in Zeiten von KI generiertem Müll und bewussten Fake News, strenger kuratierte Wikis eine wichtige Rolle spielen werden. Die Wikipediagemeinschaft ist stark und ich hoffe es bleibt so, nur sehe ich eine Menge Datenmüll auf uns zukommen. Es bleibt spannend.

  • Zur Schreibklausur in Himmerod

    Digital Detox und die Lösung von Schreibblockaden

    Manchmal läuft es nicht so mit der Arbeit, wie man sich das eben wünscht. Daher gibt es heute keine Einblicke in die Umweltgeschichte der Saarregion, sondern einen kurzen Erfahrungsbericht über eine Schreibklausur. Durch meine Betreuerin ermuntert, haben eine Kollegin und ich uns ins Kloster Himmerod aufgemacht.

    Das Kloster wurde 1134/35 von Bernhard von Clairvaux gegründet, 1802 aufgelöst und im Zuge der Nationalgüterverkäufe während der Französischen Herrschaft als Steinbruch verkauft. Viel blieb nicht mehr übrig, jedoch wurde die gesamte Anlage 1922 wieder errichtet. Schließlich kam es 2017 schließlich wieder zur Auflösung. Heute lebt dort nur noch ein Mönch: Bruder Stephan (geb. 1934), der während unseres Aufenthalts jedoch im Sudan weilte, wo er ein Entwicklungshilfeprojekt betreut.

    Himmerod ist jedoch durch einen Förderverein immer noch für den Gästebetrieb geöffnet. Wer dort für mindestens fünf Tage zum Schreiben hin möchte, kann ein Sonderangebot wahrnehmen. Durch Promovierende der Uni Trier wird dieses wohl häufiger angenommen, während Saarländer sich wohl seltener dort hin „verirren“.

    Wer nicht wahnsinnig genug ist, um eine Promotion zu beginnen, der kann auch als Wanderbegeisterte/r auf seine Kosten kommen. Zugegeben gibt es schönere Monate als den November, aber für uns war dies perfekt. Je weniger Ablenkung wir hatten, desto produktiver waren wir. Die Sonnentage waren zum Glück ebenfalls selten.

    Und Ablenkungen gab es wirklich wenige. Die dicken Klostermauern ließen keinerlei W-LAN oder Funknetz durch. Dies war nur an wenigen Orten möglich. Schreibende sollten ihr Material also unbedingt beisammen haben! Aber es lohnt. Je weniger man zwischendurch noch einmal online prüfen konnte, je weniger Doom-Scrolling man betreiben konnte – insbesondere um den 5. November herum – desto mehr konzentrierten wir uns auf das Wesentliche: unsere Dissertationen.

    Ein Schreibaufenthalt in Himmerod ist auf jeden Fall zu empfehlen und dies wird auch nicht die letzte Klausur gewesen sein.

  • (Kohle-)Bergbau und Umwelt


    Eine Annäherung über das Bergrecht

    Es ist geradezu verblüffend, dass der Bergbau in der umwelthistorischen Forschung bislang kaum eine Rolle zu spielen scheint. Zumindest gilt dies für das 19. Jahrhundert, wobei sich andere Epochen ebenfalls erst jetzt an das Forschungsthema heranzuwagen scheinen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte jüngst einen Forschungsverbund, der sich mit dem Thema im Deutsch-Deutschen Vergleich auseinandersetzte, also das 20. Jahrhundert verstärkt in den Fokus nahm. Ein Sammelband dazu ist 2022 herausgegeben worden und wahrscheinlich werden weitere Qualifikationsarbeiten folgen.1 Umfangreichere Studien sucht man bisweilen jedoch fast vergeblich. Es gibt einen hervorragenden Einführungstext von Frank Uekötter in Band vier der Geschichte des deutschen Bergbaus von 2013, der die Umweltaspekte verschiedener Bergbauarten bzw. abzubauender Rohstoffe beleuchtet.2 Weitere Sammelbände sowie Aufsätze finden sich vereinzelt und auch in einem der neuesten Einführungswerke zur Umweltgeschichte findet sich das Wort „Bergbau“ nur zwei Mal.3 Eine der wenigen Qualifikationsarbeiten stammt von Dirk Neuber aus dem Jahr 2002 und behandelt die Energie- und Umweltgeschichte des Niedersächsischen Steinkohlenbergbaus. Diese Arbeit zeigt die Auswirkungen des Bergbaus in einem eher ländlichen Raum. Die Umwelteinflüsse in einer urbanen Region wie dem Ruhrgebiet sind umwelthistorisch wohl schwieriger zu fassen, zumindest im Falle von Luft- und Wasserverschmutzung. Allerdings liefert der Bergbau mit Bergsenkungen, Grubenbeben und anderen Bergschäden ganz eigentümliche Umwelteinwirkungen, die auch deswegen gut dokumentiert sind, da sie einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Eigentumsrechten notwendig machen. Eine Annäherung an die Umweltgeschichte des Bergbaus über die Entwicklung des Bergrecht, scheint daher erstrebenswert. Darin spiegelt sich der Umgang mit einem schon seit dem Altertum vielversprechenden Wirtschaftszweig wieder, der im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch Ausmaße annehmen sollte, die kaum vorauszuahnen waren.

    Ancien Régime

    Die Entwicklung des Bergrechts zeigt eine klare Anpassung an die wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus sowie an dessen soziale und ökologische Auswirkungen. Im Ancien Régime waren Entschädigungen für Enteignungen und Schäden am Grundeigentum vorherrschend, jedoch ohne umfassende gesetzliche Regelungen. Das gemeine deutsche Bergrecht, welches Mitbaurechte für Grundeigentümer ermöglichte, wurde durch regionale Bergordnungen wie jene in Zweibrücken 1514 oder der Kurpfälzischen Ordnung von 1517 ergänzt. Diese sahen zumeist finanzielle Entschädigungen vor, während einheitliche Regelungen oder klare Rechtsgrundlagen fehlten. Der Fokus lag auf der Maximierung der Ressourcennutzung im Interesse der Landesherren. Im Fürstentum Nassau-Saarbrücken gab es keine eigene Bergordnung, sodass das Gemeine Deutsche Bergrecht galt und durch einzelne lokale Regelungen ergänzt wurde, die mit den einzelnen Bergbautreibenden individuell abgeschlossen wurden. Hinsichtlich der Steinkohlenförderung wurden diese ohnehin nichtig, da diese ab Mitte des 18. Jahrhunderts direkt durch das Fürstentum betrieben wurde.

    Preußen vor 1815

    Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten spielte zwar für die Saarregion keine Rolle, da nach 1815 weiterhin die französischen Gesetze galten, dennoch lohnt sich ein Blick auf die Gesetzeslage in Hinblick auf die Entwicklung des Allgemeinen Berggesetzes 1865. Preußen begann diesbezüglich zwischen 1784 und 1788 mit ersten Kodifikationsversuchen, die schließlich im Allgemeinen Landrecht von 1794 gipfelten. Dieses Regelwerk definierte wesentliche Prinzipien wie die Abbaupflicht und die Entschädigung für Eingriffe in Privateigentum. Besondere Berücksichtigung fand die Landwirtschaft: Schürfungen waren nur außerhalb von Saat- und Erntezeiten erlaubt, und erfolglose Sucharbeiten mussten durch Renaturierung kompensiert werden. Die Regelungen machten deutlich, dass der volkswirtschaftliche Nutzen des Bergbaus Vorrang vor individuellen Eigentumsrechten hatte, gleichzeitig aber auch die Landwirtschaft nach wie vor der bestimmende Wirtschaftszweig war auf den es Rücksicht zu nehmen galt. Dies zeigt sich auch im Verbot in unmittelbarer Nähe von Baum- und Kohlgärten (§ 148) zu schürfen, sofern es keine explizite Erlaubnis des Bergamtes gab. Grundeigentümer hatten zwar Anspruch auf Entschädigung, mussten aber Eingriffe in ihr Eigentum dulden, wenn dies im Interesse des Staates war. Diese Regelungen reflektierten die pragmatische Haltung des preußischen Staates, der zwischen der Forderung nach wirtschaftlicher Effizienz und den Rechten der Eigentümer eine Balance zu finden suchte. Über das Ausmaß des Bergbaus während des 19. Jahrhunderts hatte das Allgemeine Landrecht allerdings noch keine Vorstellungen. Es ging darin nur um unmittelbare Schäden in direkter Nähe von Gruben. Grubenbeben und dadurch entstehende größerflächige Schädigungen spielten noch keine Rolle.

    Französisches Recht

    Wie andere Gesetze auch galt auch das französische Bergrecht nach 1815 in den linksrheinischen Gebieten weiter und sollte ebenfalls das Allgemeine Berggesetz von 1865 beeinflussen. Die französischen Berggesetze von 1791 und 1810 unterschieden sich in entscheidenden Punkten, die die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung des Bergbaus beeinflussten. Das Berggesetz von 1791 spiegelt die Ideale der Französischen Revolution wider, indem es das Privateigentum hervorhob, aber zugleich den staatlichen Einfluss auf diesen wichtigen Wirtschaftszweig betonte. Es trennte das Grundeigentum vom Bergbau, wobei der Staat das Hoheitsrecht erhielt, Bergbaukonzessionen für bis zu 50 Jahre zu vergeben. Grundeigentümer konnten bis zu einer Tiefe von 100 Fuß (ca. 32,5 m) ohne Konzession Bodenschätze abbauen, was ein Zugeständnis an das Privateigentum darstellte. Zugleich waren Entschädigungsregelungen vorgesehen, darunter eine Kompensation in doppelter Höhe des entstandenen Schadens für betroffene Besitztümer. Diese Einschränkungen und die begrenzte Laufzeit der Konzessionen erwiesen sich jedoch als Hemmnis für die Bergbauentwicklung.

    Das Gesetz von 1810 reformierte diese Regelungen grundlegend. Das Schürfrecht wurde von der Zustimmung des Grundeigentümers entkoppelt; das Bergamt konnte es auch gegen dessen Willen durchsetzen. Einschränkungen bestanden jedoch weiterhin: Innerhalb von 100 Metern zu Wohngebäuden war das Schürfen untersagt. Artikel 15 führte erstmals die gesetzliche Anerkennung von Bergschäden ein.4 Betreiber mussten für Schäden an Gebäuden oder bei Wasserentzug haften und eine Kaution hinterlegen, um mögliche Entschädigungen abzusichern. Gemäß Artikel 11 durften Bergbaugebäude sowie Schächte nicht näher als 100m von Wohngebäuden errichtet werden.5 Anders als 1791 entfiel das Abbaurecht bis zu 100 Fuß ohne Konzession. Stattdessen wurde der Wert der abgebauten Mineralien in die Entschädigung miteinberechnet, wenn der Grundeigentümer nicht selbst zum Abbau in der Lage war. Konzessionen waren nun außerdem zeitlich unbefristet. Die Neuerungen von 1810 trugen erheblich zur Liberalisierung und Effizienzsteigerung des Bergbaus bei. Während 1791 den Schutz des Privateigentums stärker betonte, stand 1810 die Förderung des Bergbaus im Vordergrund, wenngleich schon die möglichen Schäden durch größere Bergbaubetriebe mitbedacht wurden.

    Entwicklung in Preußen nach 1815

    Da Preußen nach dem Wiener Kongress nicht allein das französische Rechtsgebiet „geerbt“ hatte, sondern zahlreiche weitere, die es neben dem im preußischen Kernland geltenden Gesetz bestehen lies, kam man zu der Einsicht, dass auch hinsichtlich des Bergrechts eine neue, moderne und vor allem einheitliche Gesetzgebung notwendig war. Zwischen 1826 und 1851 wurden sechs umfassende Entwürfe eines allgemeinen Bergrechts erarbeitet, die allerdings nie Rechtsgültigkeit erlangen sollten. Dennoch lohnt es sich diese zu betrachten, da es Einsicht in den Entwicklungsprozess der Bergschadensfrage gibt. Der erste Entwurf von 1833 orientierte sich stark am Allgemeinen Landrecht, setzte jedoch neue Akzente im Bereich der Haftung. Der Entwurf von 1841 ging einen Schritt weiter und berücksichtigte spezifische Schäden wie Trockenlegungen von Brunnen und Verschlammungen durch Grubensenkungen. Die Einführung der Kollektivhaftung im Entwurf von 1846 war ein Meilenstein: Mehrere Bergwerksbetreiber konnten gemeinsam haftbar gemacht werden, wenn die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt werden konnte. Die Entwürfe von 1848 und 1850 vertieften die Regelungen zu Wasserentzug und anderen weitreichenden Schäden. Besonders die Aufnahme der doppelten Entschädigung für enteignete Grundstücke aus dem französischen Recht zeigt den Einfluss dieser Gesetzgebung. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass auch indirekte Schäden, die nicht unmittelbar auf dem betroffenen Grundstück entstanden, deren Ursache aber durch in der Nähe betriebenen Bergbau lag, entschädigt werden mussten. Trotz der Fortschritte scheiterten die Entwürfe an politischen und rechtlichen Konflikten, insbesondere über die Rolle des Staates und die Rechte der Eigentümer. Dennoch legten sie die Grundlage für das spätere Allgemeine Berggesetz und trugen dazu bei, die Wahrnehmung von Bergschäden in der Gesetzgebung zu verankern.

    Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten brachte erstmals eine einheitliche Regelung für das gesamte preußische Staatsgebiet. In den §§ 148 bis 152 wurden Entschädigungsansprüche umfassend geregelt. Schäden mussten von den Bergwerksbesitzern unabhängig von Verschulden oder Vorhersehbarkeit kompensiert werden, auch wenn sie auf entfernten Grundstücken entstanden. Dieser „cas d’accident“ war aus dem französischen Bergrecht entlehnt und bedeutete in diesem Fall, dass das Verschulden nicht unbedingt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraussetzte. Unfälle oder unvorhersehbare Katastrophen verpflichteten ebenfalls zu Schadensersatz. Die Kollektivhaftung wurde in § 149 festgelegt, während § 150 Entschädigungen ausschloss, wenn Gebäude nach Aufnahme des Bergbaubetriebs errichtet wurden. Das Gesetz spiegelt die Ambivalenz zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Schutz der Oberfläche wider. Die Regelungen zur Bergpolizei (§§ 196–203) verdeutlichen die staatliche Verantwortung für Sicherheit, liessen jedoch Interpretationsspielräume bei der genauen Auslegung der Sicherungspflichten. Diese Flexibilität führte zu regionalen Unterschieden in der Anwendung und machte die Umsetzung oft von der Haltung der lokalen Bergbehörden abhängig. Dennoch setzte das Gesetz Maßstäbe für die Berggesetzgebung in anderen deutschen Staaten, so wurden viele Regelungen fast wortgleich in das Berggesetz für das Königreich Bayern von 1869 übernommen.

    Fazit

    Bei all den vorgestellten Berggesetzen gilt, dass die Regelungen auf einen Ausgleich der ökonomischen Interessen abzielte und es niemals um eine Art Umweltgesetzgebung oder gar Umweltschutz ging. Die Vermeidung von Schäden war zwar angezeigt, jedoch wurden Bergschäden als notwendiges Übel eingepreist. Ihre Regelung sollten durch die Artikel des Bergrechts erfolgen und – sofern nicht anders möglich – vor Gericht bestritten werden. Während in der Gesetzgebung zu Beginn noch die Landwirtschaft als wichtigster Wirtschaftszweig mit dem Bergbau konkurrierte, fiel dessen gesonderte Erwähnung später gänzlich weg. Schäden an Feldern und Ernten wurden ebenso kompensiert wie andere Schäden auch. Bestimmungen wie die Kollektivhaftung oder die Haftung auch im Katastrophenfall zeigen, dass die Gesetzgeber durchaus um einen Ausgleich bemüht waren, allein um den sozialen Frieden zu wahren. Viele Menschen in Bergbaugegenden profitierten vom Abbau der Bodenschätzen, aber eben nicht alle. Schließlich brachte einem ein regelmäßiges Einkommen nichts, wenn davon das Eigenheim immer wieder aufgebaut werden musste. Ob sich die ursprünglichen Intentionen in der Rechtspraxis widerspiegelten oder ob es auch hier vermehrt zu Urteilen im Sinne von „Industrieschutzzonen“ kam, zeigt sich in den Quellen zu Bergbauschäden.

    Literatur

    Albrecht, Helmuth et al. (Hg.), Bergbau und Umwelt in DDR und BRD. Praktiken der Umweltpolitik und Rekultivierung. Berlin 2022.

    Brüggemeier, Franz-Josef, Grubengold. Das Zeitalter der Kohle von 1750 bis heute. München 2018.

    Ingenhaeff, Wolfgang /Bair, Johann (Hg.), Bergbau und Umwelt. 15. Internationaler Montanhistorischer Kongress Sterzing | Hall in Tirol | Schwaz 2016. Wattens 2017.

    Neuber, Dirk, Energie- und Umweltgeschichte des Niedersächsischen Steinkohlenbergbaus. Von der Frühen Neuzeit bis zum Ersten Weltkrieg. Hannover 2002.

    Sieferle, Rolf Peter, Der unterirdische Wald. Energiekrise und industrielle Revolution. München 1982

    Uekötter, Frank, Bergbau und Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, in: Klaus Tenfelde/Dieter Ziegler (Hg.), Geschichte des deutschen Bergbaus. Band 4: Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert. Münster 2013, 539–570.


    1. Albrecht, Bergbau und Umwelt, 2022. ↩︎
    2. Uekötter, Bergbau und Umwelt, 2013. ↩︎
    3. Kupper, Umweltgeschichte, 38, 131. Kohle wird jedoch stärker Thematisiert, allerdings nicht deren Abbau. ↩︎
    4. Art. 15: Il doit aussi, le cas arrivant de travaux à faire sous des maisons ou lieux d’habitation, sous d’autres exploitations ou dans leur voisinage immédiat, donner caution de payer toute indemnité, en cas d’accident: les demandes ou opposition des intéressés seront, en ce cas, portées devant nos tribunaux et cours. ↩︎
    5. Art. 11. Nulle permission de recherches ni concession de mines ne pourra, sans le consentement formel du propriétaire de la surface, donner le droit de faire des sondes et d’ouvrir des puits ou galeries, ni celui d’établir des machines ou magasins dans les enclos murés, cours ou jardins, ni dans les terrains attenant aux habitations ou clôtures murées, dans la distance de cent mètres des dites clôtures ou des habitations. ↩︎
  • Das Schwarze Californien


    Reiseberichte und -führer als Quellen der Umweltgeschichte

    Reiseberichte und -führer sind eine bisher eher vernachlässigte Quelle der Umweltgeschichte. Sofern es um eine klassische Verschmutzungsgeschichte geht, liegt es zumindest bei Reiseführern nahe, dass diese über die negativen Auswirkungen der Industrialisierung eher schweigen. Aber auch Schweigen – so lehren uns schon die Grundprinzipien der historischen Quellenkritik – kann bei der richtigen Frage durchaus aussagekräftig sein. Gleichfalls kann diese Quellengattung der Technikgeschichte dienen, sofern man bspw. die technische Entwicklung in bestimmten Landstrichen nachvollziehen möchte. Wie Kathrin Maurer in einem Aufsatz über die Popularisierung der Natur durch Baedeker Reiseführer schrieb, gleichen die Naturbeschreibungen darin stark denen der Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts und seien vielmehr Taxonomien als – wie im Aufsatz als Thema verwendet – Zuordnungen zu nationalen Naturräumen und damit Beiträge zur Nationalisierung. Gleichfalls wurden in den Baedekers des 19. Jahrhunderts jedoch bewertende Adjektive für Naturbeobachtungen bzw. -landschaften verwendet. Die eher nüchterne Taxonomie lässt sich ebenfalls auf die Beschreibung von Industrie anwenden. So heißt es im 50. Kapitel des Handbuchs für Reisende in den Rheinlanden von 1856 (9. verbesserte Auflage) über die neu eröffnete Eisenbahn von Aachen nach Crefeld, dass diese an „landschaftlichen Schönheiten […] arm“1 sei. Auf die Industrie wird hingegen genauer eingegangen und sie wird als eher positive Erfahrung beschrieben:

    Die hohen Schornsteine, welche bei Kohlscheid, und gegenüber auf der rechten Seite der Wurm bei Bardenberg allenthalben hervortreten, deuten auf den Reichthum an Steinkohlen hin. Bei Kohlscheid beginnt die starke Neigung, welche die Bahn in das anmuthige walddurchwachsene belebte Wurmthal hinab fuhrt […].2

    Doch auch hier werden Naturbeschreibungen wie das „anmuthige walddurchwachsene […] Wurmthal“ hervorgehoben. Krefeld hingegen „bietet aber ausser ihren Fabriken nichts, was zu einem Aufenthalt veranlassen könnte.“3 Über Essen heißt es:

    Essen ist Mittelpunct eines der ergiebigsten Steinkohlen-Reviere (S. 299), und als Folge davon einer gewerblichen Bewegung, welcher kaum ein Strich Landes in Deutschland gleichkommt. Allenthalben recken hohe Schornsteine ihre Zinnenkrone empor, Eisen- und Zinkhütten, Glashütten u. Dgl. , meist von Actien – Gesellschaften betrieben, vermehren sich mit jedem Jahr. Die Kruppsche Stahlfabrik versendet ihre Erzeugnisse fast durch ganz Europa.4

    Immer wieder werden die Schornsteine als Zeichen des Wohlstandes und der neuen Zeit erwähnt. Die Beschreibungen der Fabriken und Gewerbebetriebe werden oft mit Details zu Besitzverhältnissen, Größe der Arbeiterschaft und Produktion versehen. Konkrete positive Beschreibungen sind jedoch selten und nur einmal lässt sich der Reiseführer dazu hinreißen ein Oberhausener Eisenwerk als eines der „grossartigsten“5 zu bezeichnen, wenngleich dies auch allein auf die tatsächliche Größe des Werks bezogen sein könnte. An Beschreibungen negativer Umwelteinflüsse durch den Rauch dieser Schornsteine fehlt es jedoch gänzlich. Die Industrieorte der Saarregion finden ebenfalls im Reiseführer Erwähnung:

    Die Bahn tritt bald jenseit Bexbach in die reichen *Steinkohlen-Reviere, zugleich in preussisches Gebiet. Das grosse Hüttenwerk der Gebr. Stumm zu Neunkirchen (Jochums Gasth. an der Bliesbrücke) beschäftigt an 800 Menschen und verarbeitet jährlich an 10 Mill. Pfund Eisen. Links unmittelbar an der Bahn eine kleine goth. Capelle als Grabdenkmal eines Hrn. Stumm. Der Zug dringt durch eine 1500′ lange Durchfahrt (Bildstocker Tunnel).

    Die Bahn hat häufig Einschnitte in das felsige Waldgebirge nöthig gemacht und die Lager der Steinkohlen bloss gelegt, wie sie über einander liegen, sich neigen und mannigfachen Störungen unterworfen sind. […] Alle diese Gruben sind königlich, sie werden für Rechnung des preuss. Staats betrieben und sind die Quelle des Gewerbfleisses dieser Gegend, Glashütten, Salmiak- und Berlinerblau-Fabriken, Fabrik feuerfester Steine u. dgl.

    Friedrichsthal, Sulzbach, Duttweiler heissen die letzten Stationen. Abends macht das Feuer der langen Reihe von Coaksöfen bei Duttweiler einen eigenthümlichen Eindruck.Friedrichsthal, Sulzbach, Duttweiler heissen die letzten Stationen. Abends macht das Feuer der langen Reihe von Coaksöfen bei Duttweiler einen eigenthümlichen Eindruck.6

    Auch hier wird das stummsche Eisenwerk rein faktisch abgehandelt, es werden Arbeiterzahl und Ertrag beschrieben. Allein die bei der Beschreibung der Eisenbahnstrecke erwähnten „mannigfachen Störungen“ der Steinkohlenlager könnten auf Grubensenkungen hindeuten. Gleichwohl bleibt die Industrialisierung und die Steinkohlenförderung als „Quelle des Gewerbfleisses“ positiv konnotiert.

    Dass sich in Reiseführern gelegentlich Hinweise zu den negativen Umweltauswirkungen finden lassen zeigt der Journalist und Autor August Becker in seinem 1856/57 geschriebenen und 1858 im Leipziger Verlag J.J. Weber erschienen Buch Die Pfalz und die Pfälzer. Ursprünglich sollte das Buch ein Reiseführer von knapp 200 Seiten werden, stattdessen wurden es 836 Seiten und eines der ersten Werke zur pfälzischen Volkskunde. Das Buch hatte eine Auflage von 2.000 Exemplaren und verkaufte sich schlecht, zumal mehrere ähnliche und preiswertere Reiseführer zur Pfalz in der gleichen Zeit erschienen. Dennoch wurde es ab 1913 mehrmals neu aufgelegt, da es eine wertvolle Quelle für eine wichtige Umbruchszeit darstellt.7 Obwohl Becker sich auf die Bayerische Pfalz konzentrierte, machte er einen Abstecher in die Saarregion:

    Vom Hochwald her zieht ein Zweig des Winterhauchs bis zur Saar, ein rauhes Kohlengebirg, welches diesen Winkel Deutschlands, wo Bayerns und Preußens Ländergebiete an das mächtige Frankreich anstoßen, zu einem schwarzen Californien macht. Preußen besitzt den größten Theil dieses Kohlengebirges, das nur die äußersten Ränder seiner Lager über die pfälzische Grenze erstreckt. Man ist in Bayern gewohnt, den Verlust des Salzkammerguts im reichen Innviertel durch den Wiener Congreß zu beklagen. Man ließ sich auch an der westlichen Grenze die mächtigsten und reichsten Kohlenlager Deutschlands entgehen. Den ungeheuren Einfluß, den diese schwarzen Steine einst auf die Zeit und den Wohlstand der Völker ausüben würden, ahnte man damals noch kaum.8

    Die Industrialisierung befand sich Mitte des 19. Jahrhunderts noch in einer Übergangsphase, dem sogenannten Take-Off. Die Gesellschaft war noch vorrangig agrarisch geprägt, wenngleich die industriellen Inseln immer weiter wuchsen. Gleichsam war die Bedeutung des Industrialisierungsprozesses für die Zeitgenossen unschwer abzusehen und die Bedeutung des Brennstoffes Kohle, wie in Becker hier beschreibt, war ebenfalls jedem bewusst. Beckers Vergleich der Saargegend mit Kalifornien spielte sicherlich auf den kalifornischen Goldrausch von 1848 bis 1854 an, wenngleich er hier positiv konnotiert war und im tatsächlichen Kalifornien die Zustände deutlich chaotischer waren. An der Saar kam es ebenfalls zu einem massiven Bevölkerungswachstum durch Zuzug von Personen, die auf Arbeit in den Gruben und Industriebetrieben hofften. Dies veranlasste den evangelischen Pfarrer aus St. Johann, Friedrich Petersen, den Oberpräsidenten der Rheinprovinz vor einem „Kalifornien im Kleinen“9 zu warnen. Die Ansiedlung der vor allem katholischen Arbeiter sollte reguliert werden. Die Frage, ob die Saarregion bei den Zeitgenossen allerdings wirklich als eine Art „Kalifornien“ – im positiven Sinne – bezeichnet wurde oder dies allein aus der Feder Beckers stammt, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

    Das Sulzbachtal, in dem schon seit der Fürstenzeit Fabriken angesiedelten waren und Kohle abgebaut wurde, beschreibt Becker als ein von der Industrialisierung gezeichnetes Gebiet, in dem die negativen Auswirkungen offen zu Tage treten:

    Das schwarze Thal, welches dort die Grenze bildet, ist das schmutzigste und kothigste, das man treffen kann, aber auch eines der gewerbsamsten. Da liegen mehrere große Glashütten neben einander; darunter die Hütte ‚Marienthal‘ theils auf bayerischem, theils auf preußischem Gebiet, indem der durch ihre Gebäude fließende Bach die Grenze bildet. Durch den schwarzen, fußhohen Koth watet man an den zahllosen Fabrikgebäuden, Arbeiterwohnungen und Wirthshäusern vorüber bis nach dem preußischen Ort Sulzbach, wo die Industrie an allen Ecken und Enden ihren Wohnsitz aufgeschlagen hat. Der Ort ist bei unverstopfter Nase leicht zu finden, denn es befinden sich hier auch eine Salmiak- und Berlinerblaufabrik, und faulende Thierleichname und Äser füllen die Luft mit mephistischen Dünsten.10

    Die Ambivalenz in Beckers Beschreibung wird schon hier deutlich. Einerseits ist die Gegend schmutzig, andererseits aber auch durchaus gewerbsam. Die Hervorhebung von Fleiß und florierender Wirtschaft ist ein Motiv, das schon im Baedeker und vielen anderen Beschreibungen vorkommt, die Erwähnung von (Industrie-)Schmutz und vor allem Gestank bleibt eine Seltenheit. Die gesammelten Eindrücke von Industrie und Natur in dieser Gegend werden im Folgenden noch ambivalenter:

    Das Thal hat auch seine Romantik. Seine Linien an und für sich sind oft schön und lieblich. Kommt aber die Nacht herbei, so gewinnt es einen märchenhaften und abentheuerlichen Charakter, – die Romantik der Hölle selbst breitet sich über dasselbe und infernalische Wunder beginnen es zu durchleuchten, die das Tageslicht nicht zur Erscheinung kommen ließ. Gewaltige Feuer erhellen die Nacht, feenhaft, furchtbar schön ist der Anblick dieser langen Reihen von aufqualmenden Feuerströmen über den Coaksöfen. Zwischen diesen höllenartigen Feuergluthen hin trägt die Eisenbahn, welche an den Berghalden des Thals hat an der bayerischen Grenze dahinläuft, ihre Passagiere.

    Menschenwerk und Natur vereinigen sich, um dieser Gegend den infernalischen Anstrich zu verleihen. […]Menschenwerk und Natur vereinigen sich, um dieser Gegend den infernalischen Anstrich zu verleihen. […]11

    Ein romantisches Tal mit schönen und lieblichen Linien, mephistische Dünste und höllische Romantik eröffneten sich dem Betrachter demnach bei einer Besichtigung einer der ältesten Industriestätten der Saarregion Mitte des 19. Jahrhunderts. Es wäre natürlich vermessen zu denken, dass diese Eindrücke eine Allgemeingültigkeit besaßen. Becker war Journalist und Schriftsteller, der nicht in der Region lebte. Die dort arbeitenden Menschen hatten sicherlich eine andere Wahrnehmung, wenn diese auch nur in seltenen Fällen überliefert wurde. Ob August Becker jedoch diese Eindrücke selbst gesammelt hat, oder sich diese auf seinem „langjährigen Quellenstudium“ stützen, ist schwer zu beantworten.12 Einige Passagen wirken wie aus dem Baedeker abgeschrieben, so bspw. die Beschreibung von Neunkirchen und dem dortigen Eisenwerk sowie die Bahnfahrt nach Friedrichstal (für die Baedeker Passagen s.o.). Ebenso die Beschreibung der „romantischen Hölle“ scheint einem Reiseführer für die Saarregion entsprungen und ausgeschmückt worden zu sein:

    Interessant ist dieses Thal […] zur Nachtzeit zu durchreisen. Hier setzt die Dunkelheit der menschlichen Thätigkeit keine Gränzen. Die dumpfen Schläge der Eisenhämmer dringen die ganze Nacht hindurch schauerlich zu unsern Ohren und auf allen Gruben fahren die Bergleute bei Nacht so gut wie am Tage aus und ein. Merkwürdig überraschen zu dieser Zeit an verschiedenen Orten, weit hin die Gegend erhellend, die vielen, hoch in die Lüfte schlagenden Flammen der Coaksöfen, und eben so schön ist der Anblick der Glashütten, in denen sich die Arbeiter gewissermaßen im Feuer zu bewegen scheinen.13

    Nun ist dieser aus dem Verlag der Bruch’schen Buchhandlung mit Sitz in St. Johann (heute Saarbrücken) stammende Reiseführer in seiner Beschreibung deutlich positiver. Von einem Gestank liest man an dieser sowie anderen Stellen nichts, wenngleich die erwähnten Hammerschläge auf die immensen Lärmemissionen der Industrieorte hinweisen, welche aber sogleich mit dem Attribut „schauerlich“ romantisch verklärt werden. Das Schweigen über die negativen Auswirkungen der Industrialisierung lässt sich einerseits mit dem Standort des Verlages im beschriebenen Industriebezirk erklären, andererseits wollte man den Absatz des Reiseführers durch eine Reisewarnung vor den Industrieemissionen nicht einschränken. Diese waren zweifellos vorhanden, ob sie wie bei Becker erwähnt wurden oder nicht. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass den Reisenden dieser Umstand in einem Industriegebiet bewusst war. Warum sollte man also einen Ausflug in ein Industriegebiet unternehmen und einen Reiseführer dafür veröffentlichen. Sicherlich war dieser mit seinen Beschreibungen von Gaststätten etc. für Geschäftsreisende hilfreich, diese waren jedoch nicht das hauptsächlich addressierte Publikum. Wie der Herausgeber Adolf Bruch im Vorwort mit Verweis auf den Titel schrieb, war der Zweck des Reiseführers die Beschreibung „der gewerblichen Verhältnisse und des Bergbaues“. Der kleine 90seite Band im Hosentaschenformat richtete sich also an Technikinteressierte, weshalb Bruch im Vorwort darauf hinwies, dass zur Besichtigung der Bergwerke und Fabriken eine vorherige Erlaubnis einzuholen sei und wo diese zu bekommen war.

    Die drei vorgestellten und alle in den 1850ern erschienen Reiseführer – wobei August Beckers Werk zunächst als ein solcher verfasst werden sollte, ob seines Umfanges jedoch ein Werk der pfälzer Landeskunde wurde – hatten unterschiedliche Ziele. Bei Baedeker standen die Beschreibung von Natur und Landschaft im Vordergrund. Die aufkommende Industrie wurde ebenfalls – dort wo sie zu finden war – beschrieben, sowohl faktisch wie an manchen stellen auch positiv wertend. Von negativen Umwelteinflüssen findet man bei Baedeker jedoch nichts, im Gegenteil zu August Becker, der jedoch auch ein größeres Augenmerk auf Naturerfahrungen legte, wie er es selbst im Vorwort beschrieb. Der in der Bruch’schen Buchhandlung erschienene Führer für Reisende auf der Saarbrücker und pfälzischen Ludwigs-Eisenbahn richtete sich hingegen vorrangig an Technikinteressierte, die sich ein Bild der Industrieregion machen wollten. Das Wissen um deren Emissionen wurde wahrscheinlich vorausgesetzt.

    Reiseführer können eine wertvolle Ergänzung für die umwelt- und technikhistorische Forschung sein, sofern man sie dem Thema entsprechend auswählt und mit weiteren Werken vergleicht. Der Vergleich kann einmal zwischen solchen Reiseführern angestellt werden, die in einem ähnlichen Zeitraum erschienen sind, wie dies bei den hier vorgestellten Beispielen der Fall war. Unterschiede und Gemeinsamkeiten geben hierbei jedoch mehr Aufschluss über den Zweck bzw. das angestrebte Publikum der entsprechenden Publikation. Andererseits kann der Grund für Unterschiede durch die Analyse weiterer Quellen ergänzt werden. Ein Vergleich zwischen Reiseführern aus unterschiedlichen Jahrzehnten hingegen zeigt den technischen Fortschritt auf, kann aber ebenso die Wandlung – meist das Zurückdrängen – der Natur zeigen. Ein besonderes Waldstück oder eine Beschreibung hervorragender Landschaften, die in einem Führer von 1850 noch abgedruckt wird, aber in einer Ausgabe von 1900 fehlt muss nicht unbedingt in den Vorlieben des Autors begründet liegen. Natürlich ist eine Analyse dieser Quellengattung ohne die Ergänzung weiterer Dokumente wenig zielführend.

    Quellen

    Baedeker, Karl, Die Rheinlande von der Schweizer bis zu holländischen Grenze. Schwarzwald, Vogesen, Haardt, Odenwald, Taunus, Eifel, Siebengebirge, Nahe, Mosel, Ahr, Wupper und Ruhr ; Handbuch für Reisende. 9. Aufl. Coblenz 1856.

    Becker, August, Die Pfalz und die Pfälzer. Leipzig 1858.

    Bruch, Adolf, Führer für Reisende auf der Saarbrücker und pfälzischen Ludwigs-Eisenbahn und in Mannheim, Schwetzingen, Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Bibrich, Mainz u. Worms. Mit besonderer Berücksichtigung der gewerblichen Verhältnisse und des Bergbaues in der Umgebung von Saarbrücken. Repr. d. Ausg. St. Johann-Saarbrücken 1852. Saarbrücken 1983.

    Literatur

    Bock, Benedikt, Baedeker & Cook. Tourismus am Mittelrhein 1756 bis ca. 1914. Frankfurt a.M. u.a. 2010.

    Brüggemeier, Franz-Josef, Schranken der Natur. Umwelt Gesellschaft Experimente 1750 bis heute. Essen 2014.

    Burg, Peter, Unter neuen Herren. Die Saarregion zwischen 1815 und 1850, in: Hans-Christian Herrmann/Johannes Schmitt (Hg.), Das Saarland. Geschichte einer Region. St. Ingbert 2012, 112–160.

    Fesser, Gerd, August Becker. Pfälzische Profile. Kaiserslautern 2005.

    Maurer, Kathrin, Mit Herrn Baedecker ins Grüne. Die Popularisierung der Natur in Baedekers Reisehandbüchern des 19. Jahrhunderts, in: Adam Paulsen/Anna Sandberg (Hrsg.), Natur und Moderne um 1900. Räume – Repräsentationen – Medien. Bielefeld 2014, 89–101.


    1. Baedeker, Rheinland 1856, 287. ↩︎
    2. Ebd. 288. ↩︎
    3. Ebd. 289. ↩︎
    4. Ebd. 303. ↩︎
    5. Ebd. ↩︎
    6. Ebd. 131. ↩︎
    7. Fesser, August Becker, 37-41. ↩︎
    8. Becker, Pfalz, 705. ↩︎
    9. Zit.n. Burg, Unter neuen Herren, 156. ↩︎
    10. Becker, Pfalz, 710f. ↩︎
    11. Ebd. ↩︎
    12. Becker, Pfalz, V. ↩︎
    13. Bruch, Führer, 20. ↩︎

  • Beginn der Industrialisierung an der Saar

    Wir hörten von den reichen Duttweiler Steinkohlengruben, von Eisen- und Alaunwerken, ja sogar von einem brennenden Berge, und rüsteten uns, diese Wunder in der Nähe zu beschauen. […]
    Hier fand sich eine zusammenhangende [sic!] Ofenreihe, wo Steinkohlen abgeschwefelt und zum Gebrauch bei Eisenwerken tauglich gemacht werden sollten; allein zu gleicher Zeit wollte man Öl und Harz auch zu Gute machen, ja sogar den Ruß nicht missen, und so unterlag den vielfachen Absichten alles zusammen. Bei Lebzeiten des vorigen Fürsten trieb man das Geschäft aus Liebhaberei, auf Hoffnung; jetzt fragte man nach dem unmittelbaren Nutzen, der nicht nachzuweisen war.
    Nachdem wir unsern Adepten seiner Einsamkeit überlassen, eilten wir – denn es war schon spät geworden – der Friedrichsthaler Glashütte zu, wo wir eine der wichtigsten und wunderbarsten Werktätigkeiten des menschlichen Kunstgeschickes im Vorübergehen kennen lernten.
    Doch fast mehr als diese bedeutenden Erfahrungen interessierten uns junge Bursche einige luftige Abenteuer und bei einbrechender Finsternis, unweit Neukirch [Neunkirchen, Anm.d.A.], ein überraschendes Feuerwerk. Denn wie vor einigen Nächten an den Ufern der Saar leuchtende Wolken Johanniswürmer [Glühwürmchen, Anm.d.A.] zwischen Fels und Busch um uns schwebten, so spielten uns nun die funkenwerfenden Essen ihr luftiges Feuerwerk entgegen. Wir betraten bei tiefer Nacht die im Talgrunde liegenden Schmelzhütten und vergnügten uns an dem seltsamen Halbdunkel dieser Bretterhöhlen, die nur durch des glühenden Ofens geringe Öffnung kümmerlich erleuchtet werden. Das Geräusch des Wassers und der von ihm getriebenen Blasbälge, das fürchterliche Sausen und Pfeifen des Windstroms, der, in das geschmolzene Erz wütend, die Ohren betäubt und die Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg, um in Neukirch einzukehren, das an dem Berg hinaufgebaut ist
    .1

    Im Jahr 1770 weilte der junge Johann Wolfgang von Goethe für einige Sommertage in der Saarregion und begutachtete die damals vorhandene Industrie: Kohlebergwerke, Koksöfen, Glashütten und Eisenhütten. Die Gruben gingen ab 1751 – mit Ausnahme einiger zu den Eisen- und Glashütten gehörenden Bergwerken – alle in den Besitz des Fürsten von Nassau-Saarbrücken über. Dies blieb über die französische bis in preußische Zeit erhalten, sodass in der Region – anders als im Ruhrgebiet – fast ausnahmslos staatlicher Bergbau betrieben wurde.

    Bei der von Goethe beschriebenen und nur kurz angesprochenen Abschwefelung der Kohlen handelte es sich um die Gewinnung von Koks, die an der Saar schon weit vorangeschritten war und für Kontinentaleuropa ohne gleichen war. Bei diesem Prozess wird die Steinkohle unter Ausschluss von Luft so stark erhitzt, dass alle flüchtigen Bestandteile entfernt werden. Das daraus gewonnene Koks brennt gleichmäßiger und vor allem „sauberer“, was für die Verhüttung von Eisenerz und die Gewinnung hoch qualitativen Eisens notwendig ist. Die „Liebhaberei“, wie Goethe es beschrieb, war ein wichtiger Meilenstein im Technologietransfer der Steinkohlenindustrie. Die Versuche wurden durch Antoine de Genssanes in seinem 1770 erschienenem Werk Traité de la fonte des mines par le feu du charbon de terre beschrieben. Er lobte dabei besonders, dass die gemachten Versuche öffentlich einsehbar waren, was untypisch für diese Zeit war. Die Versuche wurden jedoch nach dem Tod des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken eingestellt. Bemerkenswert waren außerdem die Versuche die freiwerdenden Stoffe als Nebenprodukte zu gewinnen, ein Prozess, der erst viel später wirkliche Erträge bringen sollte.

    Diese frühe Experimentierfreude wird sicherlich ihren Teil zum vorteilhaften Standortfaktor der Industrialisierung an der Saar beigetragen haben. Sicher ist jedoch, dass die Neuerungen während der französischen Zeit einen starken Einfluss darauf hatten. Der Code de Commerce und die damit einhergehende Gewerbefreiheit sowie die Nationalgüterverkäufe führten zu einem Wirtschaftsaufschwung sowie Technologievorsprung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Erst danach überholten andere Industriereviere wie die Ruhr die gemachten Fortschritte an der Saar. Der primäre Sektor blieb lange Zeit relevant, da sich die industriellen Zentren nur auf engem Raum entlang der oberen Saar erstreckten, mit Ausnahme der Keramikindustrie in Merzig und Mettlach. Das Saarkohlebecken war nicht nur Heimat der Bergwerke, sondern auch weiterverarbeitender Industrie und Grenzorte wie St. Ingbert und gegen Ende des 19. Jahrhunderts Homburg entwickelten sich zu den wenigen industriellen Flecken der bayerischen Pfalz. Die Region blieb durch die Arbeit der preußischen Forstverwaltung stark bewaldet und viele Bergleute sowie Hüttenarbeiter betrieben im Nebenerwerb auf kleinen Flächen Landwirtschaft. Anders als an der Ruhr versorgten sich die Bergwerke und Hütten mit Arbeitskräften aus der näheren Umgebung, sodass das Schlafhauswesen und Pendeln über weitere Strecken ausgeprägt waren. Hinzu kam die Prämienhauspolitik des preußischen Bergfiskus, die von anderen Industriellen wie Stumm imitiert wurde, die jedoch nur einem Bruchteil der Arbeiterschaft zugute kam. Zu diesen Häusern gehörte auch immer ein größerer Garten, in dem für den Eigenbedarf Gemüse angebaut werden sollte.

    Bestimmend für den Aufstieg der Saarregion als Industrierevier blieb die Kohle, die das solare Zeitalter ablöste und ein neues fossiles Energiesystem schuf. Die Auswirkungen auf die Umwelt waren vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts deutlich zu spüren und die Hinterlassenschaften sind gleichfalls heute noch relevant.

    Literatur

    Banken, Ralf, Die Industrialisierung der Saarregion 1815 – 1914. Bd. 1: Die Frühindustrialisierung 1815 – 1850. Stuttgart 2000.

    Banken, Ralf, Die Industrialisierung der Saarregion 1815 – 1914. Bd. 2: Die Take-Off-Phase und Hochindustrialisierung 1850-1914. Stuttgart 2003.

    Ecker, Franz-Rudolf, Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Ein Vergleich mit dem älteren deutschen Bergrecht. Frankfurt am Main 1997.

    Toussaint, Friedrich, Die Bedeutung des Steinkohlenkokses für die Roheisen- und Stahlherstellung in der Geschichte, in: Michael Farrenkopf (Hrsg.), Koks. Die Geschichte eines Wertstoffes. Bochum 2003, 296–317.


    1. Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit- Erster und zweiter Teil. Zehntes Buch. Online unter https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/dichwah1/chap011.html (Stand: 6.5.2024). ↩︎